(tom). Das oft beiläufige Erzählen von Geschichten aus dem Leben gehört hier in Südamerika zum Alltag. Egal wen man trifft, nach kurzem ‚Aufwärmen‘ geht es los, am einfachsten natürlich mit Fußball. Aber schon ein Bild des argentinischen Papstes Franziskus zu Ostern am Straßenrand ergibt eine short story – hier in seiner Heimat ist er längst nicht bei allen beliebt. Zum einen hat er Argentinien seit Amtsantritt noch nicht besucht, wohl aber die Chilenen und Peruaner, zum anderen meint unser taxista, er kümmere sich ja nur um die Armen und um die auf Irrwegen, aber nicht um die hart arbeitenden Leute wie ihn. Und dennoch baumelt wie bei allen seiner Zunft ein bemerkenswertes Holzkreuz mit Kette am Rückspiegel.
De donde son? Ah, alemanes! Das ergibt eine weitere Erzählung. Von mi hermana, die einen Deutschen geheiratet hat und dann für etliche Jahre in einer der immer noch existierenden deutschen Siedlungen verschwand. Im Grenzland zwischen Paraguay und Brasilien mit dem schönen Namen Eldorado. Da gibt es auch heute noch das colegio privado Hindenburg, eine zwar geförderte, aber private Bildungseinrichtung. Und so erzählt der gute Mann die Geschichte seiner Schwester und ihrer Kinder, eine Art Assimilation aus seiner Sicht und bei uns stellt sich ein deutliches Magengrummeln ein. Schließlich ist aber doch noch alles besser geworden. Heute ist seine Schwester glücklich.
Mit gemischten Gefühlen erlebe ich die vielen barrios cerrados – von hohen Zäunen umgebene Wohngebiete, gesichert durch Kameras und private Sicherheitsdienste. Im Prinzip keine gute Sache, erzählt Daniél, aber ein Ergebnis einer gespaltenen Gesellschaft, in der es faktisch keine Mittelschicht mehr gibt. Wenn man erstmal drin ist, dann kommt es einem alsbald nicht anders vor als irgendwo in Deutschland in einem durchschnittlichen Stadtviertel. Ach ja, dem politicó verde, dem grünen Politiker sei noch gesagt, dass man hier nur bauen darf, wenn man sich verpflichtet, alle Bäume stehen zu lassen. Selbst hier wirkt das grüne Klischee – mir reicht das nicht.

A propos Politik – beim Lesen der heutigen Zeitungsausgabe musste ich mal wieder feststellen, warum das Ansehen von Politiker*innen derzeit in aller Welt schrumpft. Die hiesigen Senatsabgeordneten bekommen seit Jahren 20 Inlandsfreiflüge pro Monat (!) für ihre Arbeit. Das ist erstmal vielleicht verständlich angesichts der riesigen Entfernungen und des durch Privatisierung vernichteten öffentlichen Fernverkehrs. Allerdings dürfen die diputados jeden nicht genutzten Flug für ca. 140€ rückabrechnen – ähhh? So erhält man dann ein stattliches monatliches Zusatzeinkommen von bis zu 70.000 Ar$ – davon kann die restliche Bevölkerung nur träumen. Immerhin soll das jetzt geändert werden, habe ich mit meinen bescheiden Spanischkenntnissen aus dem Clarín-Bericht herausgelesen.

Die besten Geschichten gibts übrigens beim gemeinschaftlichen Trinken vom Mate 🙂