(tom). Natürlich wird man in Argentinien auch an vielen Ecken mit Geschichte konfrontiert, meist in Form von Militärdenkmälern und der Glorifizierung von Armeegenerälen. Das ist nicht unbedingt mein Ding. Argentinien hat auch eine dunkle Geschichte, auf die man nicht oft im öffentlichen Raum trifft. Gemeint ist die Militärdiktatur von 1976 bis 1983, der tausende von Menschen zum Opfer gefallen sind, die meisten sind einfach verschwunden – hier heißen sie „Desaparecidos“. Diese Zeit hat große Verzweiflung über viele Familien gebracht, davon haben auch unsere Gastgeber hier berichtet.
In Còrdoba wird an diese Opfer im öffentlichen Raum gedacht, mit Bildern und Namenstafeln der Verschleppten und Verschwundenen in einer Straße in der Nähe der Plaza San Martin. Ergreifend. Geht man unter den Bildern hindurch, spürt man die Zerrissenheit eines Landes geradezu unmittelbar. Erinnerungskultur hilft.
Von der aktuellen Politik wollte ich mich ja mal ein paar Wochen fernhalten, man wird trotzdem eingeholt. Gestern kam unser neuer Außenminister Olaf Scholz zum Treffen der G20-Finanzminister hier an. Argentinien hat aktuell die G20-Präsidentschaft mit Mauricio Macri, dem Staatspräsidenten, der im übrigen nach langer Zeit nicht mehr von den Pèronisten gestellt wird. Kommt gar nicht schlecht an hier, aber viele erwarten, dass auch er nur eine Wahlperiode „überlebt“. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, insbesondere bei den jungen Leuten, kennen wir ja auch aus Europa. In den Ballungszentren ist die Armut deutlich erkennbar – Menschen auf der Suche nach Mahlzeiten, ganz oft auch Kinder 🙁 oder die vielen fliegenden Händler in Straßen und Bahnen. Der offensichtliche Widerspruch sind dann die „barrios cerrados“ – die eingezäunten und bewachten Wohnviertel. Wir haben eines von innen gesehen. Es geht uns gut.